Häufige Anfängerfehler – und wie man sie vermeidet

Schon die ersten Wochen im Training fordern Konzentration, Genauigkeit und ein Gefühl für den eigenen Körper. Wer beginnt, erfährt: einfach wirkende Bewegungen sind nicht einfach auszuführen. Es gibt da ein paar Schwierigkeiten.

Zu viel Kraft, zu wenig Struktur

Viele Anfänger möchten voll motiviert das Schwert ›stark‹ einsetzen, um  ›auf den Punkt zu kommen‹. Beispiel: Der senkrechte Schwertschnitt (Tate-giri 縦切り) soll deutlich akzentuiert werden mit deutlichem Schnittsound (= Sae*) Doch Kraft ersetzt keine saubere Bewegung. Entscheidend ist, dass Schnitt und Körperhaltung von Beginn an in einer klaren Struktur ausgeführt werden. Wenn Körper und Füße stabil ausrichtet sind und die Bewegung aus starker Körpermitte angesteuert wird, nimmt das Schwert fast von selbst den idealen Weg.

Sae 冴え Bedeutung
Sae 冴え beschreibt einen klaren, scharfen und entschiedenen Abschluss des Schnitts (oder einer Technik). Es bezieht sich nicht nur auf die physische Schärfe, sondern auch auf die mentale Entschlossenheit und Präzision im Moment des Schnitts. Ein Schnitt mit Sae zeigt keine Unsicherheit – er ist kraftvoll, kontrolliert und definitiv.

Verwandte Begriffe

  • Kime 決め: Die Fokussierung der Kraft im entscheidenden Moment (wird oft im Karate/Kendo verwendet, hat aber Ähnlichkeit).
  • Tenouchi 手の内: Die korrekte Handbewegung mit Eindrehen beim Schnitt, die zu Sae beiträgt.

Warum Sae wichtig ist

Ohne Sae wirkt ein Schnitt schlaff oder unvollendet – selbst wenn die Form korrekt ist. Es ist ein Zeichen für vollendete Technik und geistige Klarheit (ein zentrales Konzept im Iaido).

Unklare Start- und Endpositionen

Was für Schwertbewegung gilt, siehe oben, setzt sich körperlich fort. Vom ersten Moment der Kata bis zum letzten Schritt ist es wichtig zu wissen, wo der Körper steht, wohin der Blick geht und wie das Schwert geführt wird. Schon bei Warmmachübung mit Schwert (Suburi) sollte klar sein: Jeder Punkt hat eine Funktion, nichts geschieht ›irgendwie‹. Die Fokussierung auf Schwertbewegung hat einen großen Nachteil, dass zu Beginn alle Bewegung ›verkopft‹ und muskulär im Schulter und Brustbereich stattfindet. Das gilt es zu vermeiden und mittels körperlichen Training auszugleichen. Vielmehr noch: körperlich gut trainiert hilft am Ende der Schwertbewegung.

Das Ziehen des Schwertes (Nukitsuke) – Kraft aus der Körpermitte

Eine der Schlüsselbewegungen im Iaido ist das Ziehen und Schneiden des Schwertes. Dabei kommt die Kraft nicht einfach aus den Armen, sondern ideal durch ›Hara‹ – dem Körperschwerpunkt, der Zone etwa unterhalb des Bauchnabels. Im westlichen Bewegungsverständnis hat man vergleichbar ›Core‹ oder auch ›Powerhouse‹ entdeckt: die Tiefenmuskulatur des Rumpfes rund um Bauch, Rücken und Becken, die für Stabilität, Balance und Kraftübertragung der Arme und Beine sorgt. Wer beim Ziehen bewusst diesen Kern aktiviert, bewegt das Schwert flüssiger, kontrollierter und mit weniger Anstrengung. Die Gefahr von ›Sportverletzung‹ sinkt.

Hara 腹 als Kraftzentrum
Bedeutung von Hara: Wörtlich ›Bauch‹, aber im Budō (Kampfkunst) und Zazen das physische und energetische Zentrum (etwa 2 Fingerbreit unter dem Bauchnabel). In westlicher Entsprechung käme der Begriff ›Schwerpunkt‹ gleich, aber nicht mit derselben zentralen Bedeutung. Die Funktion von Hara: Sitz der Lebensenergie (Ki) und inneren Stabilität. Alle kraftvollen Bewegungen (z.B. Schwertschnitte) sollen aus dem Hara initiiert werden – nicht aus den Armen/Schultern. Diese ›westliche‹ Art von Bewegung führt zu Verkrampfung, dem ›Telegrafieren‹ der Bewegung für den Gegner.

Iaido-Praxis

Atmung: Tiefe Bauchatmung anstreben (Seika Tanden 臍下丹田) stabilisiert das Hara und den Geist.
Haltung: Aufrechte, aber entspannte Körpermitte (kein ›Kraft-Anspannen‹ wie im Westen).

Geistiger Aspekt

Hara wo neru 腹を練る = ›Den Bauch trainieren‹ → führt zu Gelassenheit auch unter Druck. Das steht im Gegensatz zum westlichen ›Kopf-Denken‹: Intuition und Handlung sollen aus dem Hara entstehen. Ein Mensch mit starkem Hara hat ideal Gelassenheit und Stärke in sich vereint.

Haragei 腹芸

Haragei (›Bauch als Mitte‹) ist die Fähigkeit, Absichten und Energie aus dem Hara (Körpermitte) zu lesen und auch (sich) selbst zu lenken. Wichtig im Iaido, um Gegner zu lesen, ohne selbst Bewegungen zu verraten.

Hara-Training für Anfänger

  • Zazen: Sitzende Meditation mit Bauchatmung (Seika Tanden); schnelle Fortschritte, aber anstrengend.
  • Einfache Bauchmuskelübungen (z.B. Planks) für Körperbewusstsein; fortschreitend bemerkt man, wie man substantiell aus der Körpermitte heraus agieren kann.

Zu schnelle Abläufe

Anfangs ist das Bedürfnis groß, die ganze Kata möglichst flott zu zeigen. Doch wer Tempo vor Präzision stellt, verliert leicht die Kontrolle über Schnittwinkel, Schwertführung und Körperhaltung. Besser: jede Bewegung einzeln klar setzen, damit später in einen bewusst fließenden Ablauf übergehen.

Zanshin – Konzentration überall

Zanshin bedeutet ›bleibende Aufmerksamkeit‹ – ein Zustand, in dem Körper und Geist auch nach dem Schnitt fokussiert und präsent bleiben. Für Anfänger ist es nicht immer einfach, diese Konzentration über die gesamte Technik aufrechtzuerhalten und auch danach. Doch genau das gibt der Bewegung ihre Vollständigkeit und Ausdruckskraft. Zanshin ist keine zusätzliche Handlung, sondern die natürliche Fortsetzung von Fokus und Haltung – eine Präsenz, die nach einer Haupttechnik für alles (weitere) Verhalten bestehen sollte.

Fehlende Kontrolle bei einfachen Bewegungen, z.B. Nōtō

Das Zurückstecken des Schwertes wirkt oft unscheinbar, ist technisch aber anspruchsvoll. Viele betrachten es als unwichtige Abschlussbewegung und lassen in der Konzentration nach. Das führt zu unsauberen Bewegungen oder gar Eigengefährung: mit scharfem Schwert (Shinken) würde man sich selbst verletzen. Iaidoform lehrt, auch in diesem Moment scheinbar unbedeutender Bewegung mit starker Konzentration zu agieren, da der Feind oder dessen Verbündeter erneut angreifen kann (vergleiche mit Kata Inyoshintai).

Fazit

Iaido ist kein bloßes Aneinanderreihen von Bewegungen, sondern ein Zusammenspiel von Technik, Haltung, Aufmerksamkeit und innerer Ruhe. Wer von Anfang an bewusst übt, schafft die Basis für ein sauberes, kraftvolles und authentisches Schwertziehen. Keine Sorge: Fehler sind keine HIndernisse, sondern Wegweiser zu weiteren Lernschritten – Ganbatte!

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