Heijyoshin vs. Shikai

Shikai – Die vier Geisteskrankheiten im Budo: Gibt es ein Heilmittel?

Wieder mal inspiriert mich Geoff in einem Artikel: Shikai, (shi = vier, kai = Bereich) die vier Krankheiten sind Kyo-Ku-Gi-Waku, Überraschung, Angst, Zweifel und Zögern. Diesen drastischen Begriff hört man oft in Kendo. Hier werden die Auswirkungen im Stress des Kampfgeschehens überdeutlich. Ich versuche die Erklärungen aufzugreifen und auf Iaido zu übertragen.

Die vier mentalen Stolpersteine

Die

  1. Kyo (Überraschung). Wenn dein Kamae – deine Haltung und innere Ruhe – erschüttert wird, sei es durch einen physischen Angriff oder durch den intensiven Kampfgeist (Kizeme) deines Gegners, entsteht eine Lücke. Diese Überraschung kann dich unvorbereitet treffen und dem Gegner eine Öffnung bieten.
  2. Ku (Angst).Der Kampf gegen einen scheinbar überlegenen Gegner kann lähmende Angst hervorrufen. Diese innere Blockade kann genauso besiegen wie der Gegner selbst.
  3. Gi (Zweifel). Zweifel an den eigenen Fähigkeiten oder Techniken führen zu zögerlichem Handeln. Ohne festen Entschluss und vollen Einsatz ist ein Angriff zum Scheitern verurteilt.
  4. Waku (Zögern/Verwirrung). Wenn man trotz einer Gelegenheit zögert und über die richtige Aktion nachdenkt, ist der Moment oft schon vorbei. Dieses Zögern kann aus mangelnder Klarheit oder Orientierung entstehen.

All die Dinge passieren eher nicht beim Iaidoüben, außer im Wettkampfgeschehen eines Taikai oder bei einer Prüfung, und trotzdem fließen Sie über das Alltagsgeschehen in das Üben mit ein. Der harte (berufliche) Alltag ist durchsetzt mit den oben genannten Problematiken. Mit Naivität, Verantwortungslosigkeit kann man über die Probleme hinweg gehen. Das Gegenteil vermittelt Iaidoüben: Verantwortlichkeit, Konsequenz, Struktur, Planung, Lösung.

Heijoshin – Der ruhige Geist als Gegenmittel

Als Gegenmittel zu Shikai wird normalerweise Heijoshin angesehen. Übersetzung: unbeugsamer, ruhiger, bestän­di­ger oder unein­geschränkter Geist, oder auch: ›Alltagsgeist‹. Man kann sich (theoretisch) vorstellen, dass diese Art Einstellung hilfreich ist gegen das obengenannte. Heijoshin bedeutet, dass der Geist reibungslos laufen sollte. Problem: wie kann man einen ruhigen, angstfreien Geist (Alltagsgeist!) innerhalb einer stressigen Situation erzeugen bzw. erhalten?
Übt man Iaido regelmäßig, ernsthaft und geradeheraus, wird sich dieser Zustand einstellen. Wer sich voll auf das Formen­üben konzentriert, hat keinen Raum für die Shikai. Eine Kata sollte als Mikrokosmos in Konsequenz kontrolliert, bewältigt und durchgeführt werden. So beruhigt und wandelt sich der Geist des Übenden stressfrei zum Zustand des Heijoshin. Das ist der Gegenpool zum normalen Leben außerhalb, welches schlimmstenfalls mit Zufall, Angst, Zweifel und Verwirrung gefüllt wäre. Über die Bindung an und den Aufbau von Aufmerksamkeit (Zanshin) überträgt sich der Traininingszustand auf den Alltag und die richtige Einstellung wiederum auf das Training.

Fazit

Shikai sind keine Theorie – sie tauchen auf: im Training, bei Prüfungen, im Alltag. Wer sie nicht erkennt, handelt zu spät. Heijōshin hingegen entsteht nicht durch Wunschdenken, sondern durch regelmäßiges, aufmerksames Üben.
Kleines Beispiel:
In der dritten Kata Seitei-Iai Ukenagshi zögerst du kurz beim Ziehen, weil du dir über den Abstand (Maai) unsicher bist. Der Moment ist weg, die Technik gerissen. Genau dort zeigt sich Waku – und genau dort beginnt dein Lernen.
Wer ernsthaft Kata trainiert, schärft nicht nur Technik, sondern seine Haltung. Das ist der eigentliche Zweck.

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