Tenouchi 手の内, der richtige Dreh für einen Schnitt

Tenouchi ist eines der durchgängigsten, aber nur langsam zu erreichenden Prinzipien im Iaido. Es beschreibt den ›Dreh am Griff‹ des Katana im Moment, in dem Kraft, Technik und Kontrolle zu einer Einheit (= Ki-Ken-Tai-Ichi) verschmelzen.

Katana als besondere Waffe

Das Katana ist eine so gefährliche Waffe, dass man es einem Unkundigen nicht einmal zum Anschauen reichen sollte. Schon der prüfende Griff auf die Schärfe der Klinge würde zu arger Verletzung führen. Herunterfallen und durchrutschen in die Extremitäten Anwesender würden sofort tiefe Schnittverletzungen bewirken. So reicht eigentlich schon un­kon­trollier­tes Schwingen des Schwertes für einen tödlichen Streich, ist aber nicht genug für korrektes Iaido.

Form follows function

Eine besondere Eigen­schaft des japanischen Schwertes liegt in der gebogenen Form. Ich will nicht auf die Entstehung dessen hinweisen, sondern auf den richtigen Gebrauch der Klinge. Stelle man sich vor, man muss spontan eine Waffe ergreifen, würde man den nächst­besten derben Stock greifen, um sich zu verteidigen. Der Stock erhöht die Reichweite eines Angriffs, verstärkt aufgrund der Hebelwirkung die Wucht eines Schlages und hält einen am anderen Ende der Gefahrenseite.

Ein Katana ist kein Stock

Ein japanisches Schwert wie einen (geraden) Stock (vergleiche mit der Kendowaffe: Shinai) zu gebrauchen, wird nicht richtig funk­tionieren. Zur Verletzung eines Gegners reicht es allemal (siehe oben). Mit einem Stock schlägt man auf etwas, mit einem Schwert schneidet man durch etwas. Die korrekte Führung einer gekrümmten Klinge verlangt Tenouchi. So wird aus einem Hieb ein echtes Schneiden (vergleiche Hasuji). Beim Durchziehen der Klinge drehen sich beide Hände und somit die Unterarme leicht nach innen und stabilisieren so den Schnitt.

Optimale Schwertführung

Das hat mehrere Effekte: Durch das Eindrehen der Hände */ wird die Kraft der Arme am Griff abgetragen, was die Klingenführung stabilisiert. Am Ende eines Schnitts sitzen die Hände leicht oberhalb des Griffes und man stoppt das Schwert leichter in der Endposition. Damit kann die Schulter entspannen. Schließlich erreicht man für jede Position des schneidenden Schwertes die optimale Haltung im Verhältnis auftreffende Schneide und Krafteinwirkung. /* Update: Drehe nicht nur die Hände ein, sondern auch die Unterarme. Das hat den Effekt, dass sich Elle und Speiche leicht verwinden. Das ist anatomisch besser und entspannter und man konzentriert sich nicht zu sehr auf die Hände. Das bedeutet auch: die Hände bleiben entspannt!

Ausführung des Tenouchis

Die Ausführung eines guten Tenouchis verlangt energische und dauernde Wiederholungen und ergibt damit ständige Verbesserung im Laufe der Zeit. Zunächst geht es allein um die Lageänderung am Griff, dann wird die Armhaltung verbessert. Die Schultern entspannen, die Hände werden locker. Dann kommt es zur Frage des richtigen Zeitpunkts für Tenouchi-Einsatz. Eine gute Marke ist: spätestens in Augenhöhe. Auch in Überkopfhaltung kann Tenouchi begonnen werden—ist aber schwieriger, weil man es erfühlen muss.

Kata Nukiuchi 抜打 als Test
Der ultimative Test auf gutes Tenouchi ist die Kata Nukiuchi aus der Omori-Ryu. Im Gegensatz zur stehenden Ausführung als 12. Form von Seitei-Iai, führt man ziehen und senkrechtes schneiden aus dem Seiza aus. Wer da am Ende nicht extrem zupackt (im Grunde falsche Technik) sondern richtiger ein korrektes Tenouchi auf den Punkt bringt, knallt mit seiner Klinge auf den Boden (ein recht schmerzhafter Moment für den Übenden).

Den ganzen Körper einsetzen

Spätestens dann fragt man sich, wann dieser Startpunkt erreicht ist. Nun beginnt die hohe Schule des Tenouchis. Die gesamte Körperbewegung (denke an Ki Ken Tai Ichi) in vertikalem Kraftfluss steht hinter dem Tenouchi und schließlich die Frage für den richtigen Zeitpunkt während einer Kata. Der ganze Körper ist stärker als nur die Arme, somit erleichtert sich das Schwingen des Schwertes und sieht leicht und entspannt aus. Dass der Kopf mitspielen muss, ist klar. Damit findet endlich die richtige Vorbereitung eines Tenouchis von dort aus statt.

Fazit

Der gute »Dreh am Griff« ist am Ende nicht der Anfang einer besseren Technik, sondern zum Resultat der Bemühungen geworden.

Weiterführende Lektüre

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